"Die Terroristen"

Texte zu "Blickdicht - Union Wahnfried" (Kommunion)


Die folgenden Texte sind Versuche, mich den Fotovorlagen für die Kommunion-Gemälde auf anderem Weg, noch einmal anders zu nähern als durch Malen.

Zu einigen der Fotos gibt es auch nur Texte und keine Gemälde. Zur Orientierung, wenn es mir hilfreich schien, habe ich einige der Gemälde hier noch mal abgebildet, was ich mit den Fotos aus rechtlichen Gründen nicht tun kann. Für die restlichen Gemälde siehe "Malerei: Blickdicht (Kommunion) 2009"

Die Texte kamen aus dem Versuch, sich detailliert in die einzelnen Fotos und deren Charakter zu vertiefen. Wie in das unbekannt gebliebene Potential von Personen, von denen man nur noch ein Foto hat und denen man nie begegnet ist. 

An der Oberfläche haben sie auch ein wenig den Charakter von Horrorgeschichten. Und der Horror kommt, glaube ich, aus dem, was man früher "Revolution" nannte. Es sind Geschichten von drohender Revolution.

Meistens gibt es zwei Versionen/Zugänge, eine "aus dem  Kopf" der Person in Ich-Form, und einen zweiten von außen. 

 

Katharina


„Katharina“

 

I.

 

Katharina hat etwas vom Bösen. Vom Neid. Der Rache.

 

Sie ist als ganze, in ihrer ganzen Gestalt die Braut des bösen Blicks.

 

Ihr Kopfschmuck ist eine Landebahn für Christus, noch vergrößert durch ihre Haarpracht - Doch soll er daran hinabgleiten, ihr den Buckel runter...

 

Die Kerze ist die Trophäe, die sie ihm in grimmigem Triumph entwunden hat.

 

Ihr Gesicht ist eine Maske, aber weich; ihr Körper vielleicht Holz...

 

 

Sie hat Gott verschlungen, zermalmt; im Wissen, nicht sie wird ihm näher sein, sondern er wird in ihr aufgelöst; er wird zu Nichts verbreit.

 

 

 

II.

 

Ich weiß, ihr klammert euch an diese gewisse Grobheit in meinem Gesicht.

 

Sie ist aus einzelnen Zügen zusammengesetzt, deren Herkunft euch bestimmbar erscheint.

 

Die laute, angeberische Nase.

 Die wuchtige Unterlippe und das Kinn, das geeignet scheint, die Hindernisse so aus dem Weg zu räumen, wie es euren Idealen entspricht.

 

Die Augen, in denen ihr euren Hass mit einer gewissen Befriedigung gespiegelt seht - scheinen sie doch die angemessene, euch bekannte, robuste Art von Entschlossenheit zu verraten, die sich in der Beseitigung von Lebenshindernissen nicht von falschen Empfindlichkeiten ablenken läßt.

 

Der kräftige Hals, dessen beinahe einzige Bestimmung ist, eine Basis zu bilden, die fest genug ist, aus dem Kopf einen Rammbock gegen die Widrigkeiten zu machen, die ihr kennt.

 

Der Rumpf, dem das Kleid nichts Kindliches mehr lassen soll, fast als wolltet ihr bereits meine dereinst altersgebeugte Gestalt vorausahnen können.

 

Seht ihr, wie mein großes, offenes Ohr sich das nimmt, was meine Augen euch verweigern?

 

Ihr glaubt, mit großen, weißen Schleifen die Größe meines Haares kontrapunktierend aufnehmen und bändigen zu können... (diese „süßen Blümchen“ dazwischen!)

 

Ihr könnt Gott nicht verzeihen, dass er euch so kämpfen läßt.

 

Ihr lasst meine dicke Nase, meine dicken Wangen, meine unmädchenhaft hohe Stirn, meine Lippe, von der Sonne treffen, um mich bloßzustellen.

 

Der Schmuck in meinem Haar soll dessen potentiell lüsterne Pracht abtöten, gerade indem ihr sie als Attraktion ausstellt.

 

Was wollt ihr denn?!

 

Ihr wollt die Kinderpuppe, die in einem großen Sprung direkt in die Frau übergeht, die ihre Kasernierung akzeptiert hat.

 

Noch bevor sie eine Ahnung haben konnte, dass sie gerade über eine Weggabelung gesprungen ist.

 

„Morgen, Kinder, wirds nichts geben.“

 

Aber sehr ihr diese rechte Hand, deren Zeigefinger nach einem nicht vorhandenen Abzug tastet?

 

In welche Geschichte, die ich noch kaum ahne, zieht ihr mich?

 

 Aber diese, die drohend heraufzieht, fürchtet ihr aus Gewohnheit weniger, als wenn ich alles fallen ließe und mich besinnungslos quiekend im hohen Gras dieses schlammigen Abhangs wälzen würde.

 

"Franz"

 

 

I.

 

Franz ist stolz, weil er alles richtig macht.

 

Richtiger als es je einer wird tun können, dem es nur selbstverständliche Pflicht ist.

 

Franz ist eine mechanische Puppe, die will, dass ihre menschlichen Eigenschaften nahtlos auf seine Umgebung übergehen

 

Franz ist der, der Gott in jedem Steinchen, in jeder vermeintlichen Öde sehen kann, die ihn umgibt. Während er selbst zum Schatten wird.

 

Die Anpassung, an die Formen (selbst noch in der Wüste), die Franz uns vorspielt, dient dazu, dass wir den Kopf schütteln - und Gott einlassen. 

 

 

Plötzlich ist Ffranz weg und die Herllichkeit wird sichtbar.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Ich bin euch dankbar!

 

Dankbar wie ein Zierfisch, der in eine Plastiktüte mit etwas Wasser gesetzt wurde.

Ich weiß, was ich schulde.

 

Ich kenne keinen größeren Spaß als jedem Blick, der auf mich fällt, ein Bild der Freude zu geben.

 

Ich halte die Kerze (man macht es so - warum auch nicht?), aber ich brauche sie kaum - denn ich, ich bin die bessere, die kerzengeradere Kerze.

 

Wie biege ich mich für euch durch...! Ich kann mich kaum bezähmen, wenn ich sehe, welche Freude euch das macht!

 

Meine Unterlippe drückt sich ein, über die ganze Breite meines zurückgehaltenen Grinsens. Bitte, nehmt es nicht, als hätte ich etwas zurückzuhalten.

 

Ich weiß, ein strahlendes Grinsen ist hier nicht am Platz - und so, mit der Ahnung, dass ich könnte, macht es euch doch noch mehr Freude!

 

Macht euch keine Sorgen: ich sehe doch gar nicht, dass mein Gesicht euch nichts sagt. Nichts, worüber es sich zu reden lohnt. Wie könnte die starre Bürste dieser Haare euch an sich Freude machen?

 

Seht über die Mischung, die ich bin, einfach hinweg!

 

Ich werde euch immer eine durchgedrückt aufrechte Lebensfreude wie aus einem einzigen Guß sein. Meine Hand ist steif geparkt; sie wird euch nie angreifen.

 

Auch, dass ihr mich auf einen Weg mit Geröll und ohne Halt, vor eine halb bröckelige, aber unentrinnbar geschlossene Wand gestellt habt... - ich sehe es nicht.

 

Ich bin gerade und fest. Ihr könnt euch auf mich verlassen. Niemals werde ich euch mit einbrechenden, zusammensinkenden Dunkelheiten behelligen.

 

Ich sehe euren liebenden Blick und werde euch nie vor die Wahl stellen, meinen Wert beurteilen zu müssen, wenn ich einmal nicht in Form bin.

 

Wenn ich nicht in Form bin, werde ich nicht da sein.

Sondern in weit, weit entfernten Bäumen.

 

Mit unsagbar aufgeworfenen Lippen, unvorstellbar kehligen Schreilauten, frei und weit pendelnden, behaarten Armen, die mit Leichtigkeit bis zum Boden greifen, inmitten einer Horde von Gleichartigen, und einer Schwärze, die euch den Atem nehmen und den Blick verdunkeln wird.

 

 

Ihr aber werdet, obwohl sicher, dass ich da bin (wo sollte ich auch sein?) vor dem Schlafengehen noch mal vorsichtig in mein Zimmer sehen, wo ich unter dem weißen Laken liege und ruhig schlafe.

"Jonas"

 

I.

 

Jonas ist ein Feiner.

 

Er ist nie den Wünschen von Mutti (und Vati!) untreu geworden und sieht doch selbstverständlich die großen Aufgaben, die auf ihn warten, schon in einem Auge heranreifen.

 

Er ist selbst ein Mittler. Er nimmt nicht alles hin, aber vieles an. Noch seine inneren Kämpfe haben Maß und Takt.

 

Die meisten anderen können nicht anders, als unwillkürlich bezaubert und beruhigt mit ihm mitzuschwingen, wie synchron.

 

Die Mädchen sind so bezaubert von ihm, dass sie noch nicht mal um ihn konkurrieren. Wer ihn bekommt (bekommt ihn jemand?) - das steht außerhalb des Üblichen. es ist ein Naturereignis, dem man sich beugt. Wer ihn nicht mag (wer mag ihn denn nicht?), würde ihn trotzdem nie angreifen.

 

Jonas läßt sich mit Blümchen und Herzchen beschenken, um sie einem guten zweck zuzuführen. er hängt sich nicht an Tand, und doch fühlt sich alles geachtet bei ihm.

 

Jonas ist der, der kraft seines unendlich selbstverständlichen Zartgefühls uns allen Gottes Bedeutungslosigkeit aufzeigt.

 

 

Später wird er Diplomat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Seht ihr - ich dränge mich nicht vor.

 

Ich bilde auch nicht den Mittelpunkt eines Kreises, in den die anderen magnetisch hineingezogen werden. Dass sie sich an mir orientieren, mir gleichzukommen versuchen, ist ihnen selbst nicht bewußt.

 

Sie richten sich nach mir aus, ohne von dieser Erkenntnis behelligt zu werden. Darum empfinden sie auch keinen unterschwelligen Groll gegen mich. Sie genießen den Zuwachs an Mehr-Sein, der von mir ausstrahlt und ihnen einen Halt über ihre Möglichkeiten, die sie alleine hätten, hinaus gibt, ohne zu fragen, woher das kommt. Ich weiß, ihr seht es gerne, dass ich meinen Kreis einfach einen Moment verlassen kann, aber doch sicher mit unsichtbaren Fäden in ihm bleibe.

 

Ich weiß, ihr liebt mich. Ihr freut euch, dass es mir besser gehen wird als euch.

 

Dass ich der schöne, aufgeweckte Junge bin, der du, mein Vater, immer gern gewesen wärst. Deshalb streicht mir auch die Mutter immer mit einem etwas verschämten Seitenblick zum Vater, und nie zu lange, über den Kopf.

 

Ich freue mich, dass ich wohl geraten bin.

 

Nur manchmal sehe ich mich (ein wenig, nur ein wenig, mit euren Augen...) wie ich in einigen Jahren nachts im Bett wach liege; meine nette, hübsche Frau schläft ruhig neben mir - ihre kleinen Bewegungen ab und zu - und die Kinder schlafen in ihren Zimmern.

Ich sehe meine immer noch schönen, glänzenden Haare, meine dunklen, ruhigen, ganz unbedrohlichen Augen, meine schöne Gestalt; mein Ich, das so ist, wie man es sich nur wünschen kann. (Kann man sich mehr wünschen?).

 

Ich bin der geworden, der ich versprach zu werden - und doch sind die nie in Frage gestellten Versprechungen meiner Jugend wie fern und gewesen, wie gleichsam verbleichend in etwas, das ihr Zufriedenheit nennt.

 

Ich weiß, dass ihr euch auch dann noch zu eurem wohl geratenen Sohn beglückwünscht.

 

Und nur ein kurzer leerer Moment unmittelbar vor dem Einschlafen, den man verscheucht, indem man noch ein paar Mal im Bett hin- und herruckend die richtige Position sucht, deutet auf etwas anderes hin, das nicht ganz zu fassen ist.

 

Dann träumen wir, ihr und ich, zugleich, wie wir zu dritt in einer leeren Wohnung, in den die Sonne fällt, an einem Tisch, die gleiche Buchstabensuppe essen.

 

Sonst nichts. Nur die alte Uhr am Herd tickt.

 

 

Jörn


I.

 

Jörn strahlt naiv.

 

Sein Verhältnis zu Gott ist das eines bunten bunten Malkastens zu einem prachtvollen Blumenstrauß.

 

Er ist fast närrisch vor Freude darüber, dass es Attribute gibt, die ihm angehören können und die ihn werden lassen.

 

Ein bisschen hat er etwas von einer Kleiderpuppe, aber ohne deren numinoser Indifferenz.

 

Mit ihm verkauft man Dinge. Denn Jörn nimmt jeder Materie wie selbstverständlich ihre Sperrigkeit.

 

Lichter scheinen sich willig tanzend um ihn anzuordnen. Wir wissen, dass diese Welt ein Theater ist, wenn wir ihn betrachten - und zwar ein schönes, herzhaftes Theater, unproblematisch.

 

Die Umgebung, die Dinge winden sich verzückt geschart um ihn herum. Sogar die Kerze lächelt nachsichtig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Ich halte die Kerze aufrecht.

 

Für euch.

 

Ich halte sie ein wenig von mir weg, sie muß auch nicht hoch hinausreichen.

 

Ich weiß, ihr seid stolz, dass ich die Regeln kenne:

 

„Sei nicht unbehaglich!“

 

„Dräng dich nicht vor, aber versteck dich auch nicht!“

 

„Habe eine geschmeidige, flexible Seele, die deine Hülle und deine Werkzeuge und Attribute mit Leichtigkeit auf das einstellt, was wir als in der Welt (in unserer Welt!) ruhende Harmonie empfinden!“

 

Ich weiß, was ihr wollt. Ich fühle es voraus und meine Freude ist, es auch zu wollen. Ich brauche mich nicht in Opposition zu meinen Attributen einzukeilen.

 

Kutte, Kerze, Rosenkranz, alles weiß ich an seinen Platz zu stellen, ohne jeden Rest. Die Hand liegt locker auf. Selbst der Hintergrund ist zufrieden durch meine Zufriedenheit.

 

Nur wenn ihr mir einen Moment zu lange in die Augen seht, könnt ihr bemerken, dass mein rechtes Auge eine Angst zeigt - die Angst, ob ihr auch an die Freude und Begeisterung des linken glaubt. Von meinem linken Auge aus, bin ich euer lieber Bub, ihr meine lieben Eltern.

 

Von meinem rechten Auge aus machen sich meine Lausbubenzähne auf, zu wachsen und euch in panischer Not die Kehle durchzubeißen.

 

Die Hand hält die Kerze kaum noch zurück, euch mit einer ruckartigen Bewegung die Flamme tief ins Auge zu drücken; euch mit dem Rosenkranz zu würgen; und, in entsetzlicher Freude an die rückwärtige Wand gepreßt, in entsetzlicher Freude, eurem Todeskampf zuzusehen.

 

Zum Zerreißen eingespannt in diese beiden widerstreitenden Tendenzen, platzt mein Schädel beinahe in zwei unvereinbare Teile, ebenso wie mein Körper als ein blutiger Haufen sich auf euch stürzen will; in der weißen Kutte, in weißer, scheinbarer Ruhe daran gehindert.

 

 

 

 

 

"Rosa"

 

 

I.

 

Rosa hat ein Geheimnis.

 

Sie steht in der Ecke des hintersten Kellerraumes, unheimlich genug.

 

Braucht sie die Kommunion?

 

Ihr Lächeln verrät schon, was vorerst nur sie weiß: sie ist die Mutter des Erlösers, den sie in sich trägt.

 

Geschützt, tief hinten, aber in uneßbarer Gewißheit, erscheint sie dem, der tief genug hineinging und die Hoffnung fast aufgegeben hatte - sie, in guter Hoffnung.

 

Ihr Lächeln verrät auch ihre Nachsicht und macht die Kerze zweideutig; als Zeichen, dass sie diejenige ist, die Einzige. Die Welt darf es noch nicht erfahren.

 

Aber die Uhr erinnert Rosa daran, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Herrlichkeit, die da kommen wird, nicht mehr diese Staffage braucht.

 

Bis dahin harrt sie in ihrer Ecke aus, doch bereit uns einzuweihen, wenn wir uns bis hierher verlaufen haben sollten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Ihr wißt es nicht besser, als mich aus der so gut wie vollständigen Dunkelheit, die mich schon tröstend umgab, nach einem Tag des Paradierens wie ein geschmücktes, aufgeputztes Zirkuspony - als mich noch einmal schnell, drängend, fast grob in eine Ecke zu schieben, mir kurze, knappe, ihre Schärfe durch Leutseligkeit verbergen wollende Haltungsanweisungen zuzurufen; und mich im Blitzlicht, wie die Presse es mit einem erfolgsverwöhnten Prominenten macht, der gezwungen ist nach einer empfindlichen Verurteilung das Gericht durch den Vorderausgang zu verlassen, noch einmal und wie für die Titelblätter der Boulevardzeitungen des nächsten Tages abzuschießen.

 

Mein gequältes, tapferes Lächeln ist für euch.

 

Ebenso wie die noch einmal etwas nachlässig und schwankend erhobene Kerze, die mir eigentlich schon zu schwer ist (deshalb halte ich sie besonders hoch, vielleicht auch, um mich mit diesem Lichtchen etwas gegen euren Blitz zu verbinden...). Meinen Gloriolenkranz...ach, nehmt ihn, er ist ja auch auf meine fallenden Löckchen abgestimmt.

 

Nur meinen Blick bekommt ihr nicht mehr.

 

Wenigstens ihn lasse ich eine abgewendete Seite zeigen. Und mein Handrücken schwillt euch böse entgegen. So wie meine Hand meinen Bauch beschirmt - auch um zu verhindern, abzudämpfen, dass euch in einem plötzlichen, unvermuteten, heftigen Strahl meine Kotze entgegenfliegt und in die Augen trifft.

 

Seht ihr, dass MEIN Licht das Zentrum des Bildes ist, dass ihr von mir macht. Denn meinen Blick bekommt ihr nicht.

Ihr wißt, warum ihr mich in die Ecke gedrängt habt; die Wände stehen schräg zu euch, so dass sie den grellen Blitz nicht in euer Auge zurückwerfen können, das es verdient geblendet zu werden.

 

Diese meine Hand wird dereinst auf meinem Bauch mit einem sachte, aber energisch schon strampelnden Kind liegen, das mich rächen wird.

 

Dann, dann werdet ihr bei erneuter Betrachtung dieses Fotos, auf der Suche nach Erklärungen, plötzlich sehen, wie mein Haß damals in der Ecke entzündet wurde, euch mit Klauen und Zähnen heimzusuchen und zu vernichten.

 

 

Bis dahin aber werde ich gefühllos dahinleben, denn ihr habt mich in dieser Ecke gewissermaßen exekutiert und an die Ewigkeit genagelt.

 

 

Margrit I


"Margrit"

 

 

I.

 

Margrit wird Gott zur Rechenschaft ziehen.

 

Giftige Magnetfelder lagern um sie, durchströmen sie.

 

Sie weiß selbst nicht recht, woher es kommt - aber Gott wird büßen.

 

Sie wird kraft ihrer konzentrierten Aura Gott zwingen, dass er sich als Korkenzieher, elend und verbogen, verkommen, offenbare.

 

(Wenn es soweit ist, wird selbst das Lachen Satans sie nicht irritieren, nicht bestätigen, nicht verunsichern...)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Mein rechtes Auge ist erstarrt, fast ein wenig zugeschwollen, wie nach einem Schlag. (Ein Schlag?).

Gerötet. Ich halte es offen. Ihr müßt keinen Widerstand mehr an mir sehen. Keinen mehr.

 

Mein linkes Auge ist weit offen. Geweitet. Nein nein, ich sehe her. Zu euch.

 

Es sieht so aus, als sähe ich in eine unerreichbare Ferne? Ja?

 

Die runde erhebungslose Glätte meines Gesichts führt zum geraden, ganz geraden Strich meines Mundes. Stumm. Ganz stumm. Meine geschwollenen Backen ziehe ich von innen ganz leicht zusammen, damit sie nicht auffallen.

 

Der dunstige Schleier über mir tut meinem Anblick und eurem Blick gut. Er lindert, er verlindert, was ich ausdrücken könnte, ohne es zu wollen. Ohne es zu wissen. Zu wissen.

 

Träumt mich ein. Träume mich ein, Mutti, in die Zeit, als du in meinem Alter warst.

 

Ich will, ich will dir jedes Bild, jedes schmerzhafte Bild von Möglichkeiten entwinden, die du vielleicht gehabt hättest, aber nicht gehabt hast.

 

Sieh doch, ein weißes Kissen, und die Zeit windet sich darauf spiralförmig nach oben, im zarten Dunst, bis zu einem anderen zarten duftigen Kissen und einem Flämmchen. Dem Flämmchen für dich.

 

Und weiß mein Körper. Weiß. Fast genug. In Schleierdunst gehüllt, verwehend. Auch ich vergehe ja schon und folge dir.

Auch mein Kopf bricht nicht. Nicht aus.

Pilzkopf. Darüber durchbrochenes Weiß deiner Blümchen.

 

Den sachten Giftkontrast hinter mir und um mich: ich habe ihn nicht bestellt. Vergiß.

 

Mutti, ich kann nicht sanfter... warum schreist du denn? Tun dir die Messer, die schmatzend in dich einfliegen, denn so weh? Die Tranchier-, die Käsemesser, die hinter meinem Auge hervorkommen?

 

Die Fisch-, die Kartoffelmesser?

 

Die Schäl-, die Fleischermesser, die Tranchiergabeln?... Schrei doch nicht so, Mutti. Der Dunst um mich zittert ja... Das ist doch nicht in deinem Sinn... das bist doch nicht du... das bin doch nicht ich...

 

 

 

 

Oswald


"Oswald"

 

 

I.

 

Oswald sendet uns Zeichen.

 

Die unendlich lange Kerze weist bis in den Himmel, aber mit dem linken Daumen und der Hand bildet alles zusammen ein Dreieck.

 

Ebenso wie das Tuch, das fast ein unauffälligeres Dreieck bildet als das, welches zum Himmel weist.

 

Oswald ist in Drei- und Vierecke zerlegt.

 

Fundamentales Viereck ist das BUCH.

 

(Hinter ihm Quader, Würfel, unten die Wiederholung des langen Streifens.) Was will uns Oswald mitteilen?

Die Inschrift hinter ihm...?

 

Oswalds tiefes, ihm selbst kaum bewußtes Geheimnis:

 

Damals hat er als Hase die Erschießung von Menschen miterlebt. Was hätte er tun sollen - als Hase?

 

Seitdem führt für ihn ein unendliches Rohr, festgehalten, Tag und Nacht, hinauf zu Gott.

 

Und die Gesetzestafel bedeckt sein Herz. Schützend und Halt gebend in festem Buchstab.

 

 

Das nächste Mal wird Oswald ein Staatsoberhaupt opfern, wenn es unumgänglich ist. Aus dem Rohr kann er Gottes Klopfzeichen vernehmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Vielleicht habt ihr euch insgeheim erhofft, ich gäbe euch, durch welches kleine Anzeichen auch immer, ein irgendwie geartetes Bild eurer eigenen Verlorenheit und all dessen, was ihr selbst schon fast vergessen habt und was eingesperrt nur noch in tiefsten Bezirken eurer Knochen ruht.

 

Vielleicht könnt ihr eine Spur davon in meinem linken Auge sehen: diese Mischung aus Skepsis, Angst, Härte und eingezwängtem Trotz.

 

Aber macht euch ansonsten keine beunruhigenden Hoffnungen: ich stehe so hart aufrecht wie ihr (wie du, Vater!).

 

Die Gesetze, die ihr seit jeher befolgt habt, ohne sie zu verstehen, bedrücken mein Herz. Die unendliche Kerze wächst aus einer Nachbildung von Mutters damaligem Kleid heraus.

 

Mit Hand, Daumen und Kerze trianguliere ich geradezu bösartig geschlossen, ohne Rest. Es gibt hier nichts mehr zu tun für euch.

Und das ist meine Rache und wird sie sein.

 

Ist sie: sieh meinen Daumen an, Vati. Hast du dem etwas entgegenzusetzen? Noch Fragen? Willst du dich nicht lieber im hintersten Winkel verkriechen?

 

Links: Schürze mit herauswachsender Kerze, das bist du, Mutter.

 

Und jetzt verlängere mal die Linie meines Daumens zur Spitze des Dreiecks. Diese Linie geht durch mein rechtes Auge. Wenn ihr gehofft habt, darin, zur wärmenden Linderung des Ganzen, doch noch etwas zu finden, muß ich euch enttäuschen. Dort ist die Leere, die ich euch zurückwerfe. Ihr müßt euch schon an die uneinnehmbare Gesamtheit meiner Gestalt halten.

 

Die euch sagt, dass ich eure Erwartungen erfüllen und euch auf dem hinter mir wartenden Altar eurer eigenen Wünsche opfern werde. Ihr werdet nur zum Schein ein wenig protestieren und mit schlecht verhohlenem Stolz zuletzt noch zusehen, wie ich beiläufig über eure Leichen steige.

 

 

Anfried


"Anfried"

 

 

I.

 

Anfrieds Verhältnis zu Gott steht auf einer labilen Kippe, seit ihm in einer Vision ein längs halb durchgeschnittener Hund in der Wüste begegnete, in den die Sonne hineinbrannte.

 

Seitdem träumt er von einem Liegestuhl unter tiefblauem Himmel, an einem Swimmingpool.

 

Anfried gibt sich als Wärmebild aus und hält die Kerze abwartend wie ein Leuchtstoffschwert.

 

Er ahnt, dass er beides brauchen wird: einen hochdotierten Posten als Revolte gegen die Heimsuchung der Wüste - UND dass Gott seine Träume vernichten wird. So er ihn denn einlassen sollte...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Ich stehe so steif.


Ich muß mal.


Die Notdurft, der Druck lindert das akute Gefühl meiner Not.


Im Moment ist mir sogar fast die Brille egal, wegen der mich alle hänseln.

 

Ich bin unbeholfen und begreife die meisten Dinge eher langsam. (Nur ordentliche, schöne Zahlentabellen machen mir Freude). Ich weiß auch nicht, warum ich hier stehe. Vielleicht nur, weil euch nichts Besseres einfällt. Ihr gebt es mehr und mehr auf, euch für mich etwas Besseres einfallen zu lassen.

 

Vater wehrt sich auch kaum noch. (Woher sollte ich es also können?)


Ich kann in Mutters Gesicht sehen, wie sie sich immer weniger Mühe gibt, den leichten ermüdeten Abscheu zu verbergen, weil ich das gleiche, träge, nichtssagende, fleischige Gesicht wie mein Vater bekomme. Die gleiche Unbeholfenheit in der Welt, die mich vielleicht gerade noch als Kassierer in einer Bank, oder als Buchhalter tauglich werden läßt.


Aber ihr habt euch eigentlich auch nicht mehr versprochen.

 

In der Welt, in der ich mit euch lebe, gibt es keine unvorhergesehenen Erhebungen. Niemand fordert mich auf, die Kerze hochzuhalten. Uns verbindet irgendwie alle das Gefühl, dass schon diese Aufgabe kaum zu bewältigen ist und selbst, wenn es gelänge, wäre nichts damit gewonnen.

 

Ich bin steif, nur um mich überhaupt irgendwie halten zu können. Ich passe nicht mal ins Bild richtig.


Meine Fingerspitzen bewahren die Kerze eben vor dem kompletten Hinuntersinken. Im Zeigefinger liegt die letzte sichtbare Hoffnung.

 

 

Wenn du mich malst, tu es langsam (und steif). In stiller Trauer, die kaum weiß, wo eigentlich der Verlust liegt. Ich bin kein Verlust. Wovon denn? Ich bin ein schon halb abwesendes Denkmal dessen, was schon zu Lebzeiten vergessen sein wird. Das ist vielleicht das Einzige, woran ich denken lassen kann.

 

 

"Jennifer"

 

 

I.

 

Jennifer verschwand vor 22 Jahren im Alter von 8 Jahren spurlos beim Spielen im Vorgarten des Hauses ihrer Eltern.

Ihre Eltern zogen fort und Jennifer blieb zurück.

Sie begann zu verblassen und leicht wächsern zu werden. Auch der Stuhl unter ihr verschwand schließlich.

 

Sie bekommt noch schwache Signale von oben, aber das Neue legt sich über sie. Neue Bahnungen, die nichts mehr mit ihr als Verbleichender, Vergrauender zu tun zu haben scheinen.

 

Jennifer blickt uns und sich verblassend an und erinnert sich an eine Zukunft, die fremd über sie hinwegwächst. Diese Zukunft hat keine Antwort auf die Zone stehengebliebener Zeit.

 

 

Nur Gott hält ihr Signalrohr noch.
Sein letzter Faden, der ihn mit Jennifer verbindet, läßt ihn die Melancholie des Immer-Neuen schmerzlich fühlen.
Dafür liebt Gott Jennifer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Erkennt ihr mich? Seht ihr mich?

Bin ich da? - ich glaube, wo ihr seid - und wo ihr seht - da ist „da“. Wo ich bin, da ist „weg“.

Aber wenn ihr mich noch seht -

 

Auf meiner Traurigkeit steht „Vermißtes Kind“.

 

Haltet mich doch an meinem Lächeln fest.

 

Meine Hand reicht nicht mehr dafür. Da ist nur noch ein Loch; 

oder sie bleibt euch in der Hand, wenn ihr daran zieht; sie geht ab...

 

Ich weiß nicht, wie ich sitze. Vielleicht ist der Stuhl zu anderem Gebrauch schon abgezogen, weil ich kein Gewicht mehr habe.

Aber die Kerze halte ich noch (oder wird sie von oben gehalten?)

 

Den Ausdruck in meinen Augen könnt ihr noch ahnen. Aber wenn er euch zu weh tut (ich seh es an euren...), dann laßt sie gehen, laßt sie ziehen.

 

Hinter mir ist blasser Samt; wie von Herzblut.

 

Bin ich euch unheimlich? Ihr seht immer weg, als müßtet ihr euch zwischen diesem, meinem letzten verfügbaren, schwindenden Bild und dem in eurer Erinnerung (das mit euren Hoffnungen und Träumen verbunden ist) entscheiden.

Das erstere raubt letzterem auch die Deutlichkeit. Aber so wie hier bin ich jetzt.

 

Ich weiß, es klingt komisch, aber: wenn ihr mich als vergehenden Geist liebt, sehe ich wie ihr tiefer auflebt.

Wenn auch „auf Messers Schneide“...

 

 

Laßt los... ohne euch abzuwenden...dann bleibt mir ein Ort...

"Kai"

 

 

I.

 

Kai ist ein halluzinierender Seher.
Ein blinder Sänger, der in die Gestalt eines braven Lausbubs gesteckt wurde.

 

Gott umhüllt ihn gnädig und nachlässig mit Wolken von Teddybären, Spielfiguren, Pferden, Cyber-Rittern, Pistolen etc.
Aber durch die Ritzen gelangen Leitungen von IHM zu Kai.

 

Kais Arm wehrt verholzt die Begegnung mit dem Ungeheuren ab.
Er ist Gott vielleicht in Wirklichkeit am nächsten.
Gott selbst baut dagegen Hindernisse auf, aus hinhaltender Schonung.

 

Aber in Kai wird unabweisbar das Sehen, durch „Kommunion“ mit Gott, explodieren. Das was die Welt „Wahnsinn“ nennen wird.
Er ist auserwählt.

 

 

„Der Lauser“ wird am Schrecken verbrennen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Ich bin ein Stiefkind.
An mir ist nichts Besonderes.

 

Ich lohne kaum - aber, wie ihr immer sagt, ich kann doch zufrieden sein.

 

Ich wuschel meine Haare künstlich etwas hoch, weil es sich gehört, etwas Feuer zu zeigen. Wer gar kein Feuer zeigt, ist uncool - ein etwas seltsamer Widerspruch, aber...

 

Mein linkes Auge ist in der Leere fixiert, die ich kaum spüre.
Mein rechtes Auge hat sich abgefunden, dass es kaum etwas zu sehen gibt. Und was es zu sehen gibt... na ja.
Mein Lächeln ist nicht gezwungener als meine Haltung allen Forderungen gegenüber.

 

Ich halte mich auf der Insel, auf der ich sitze. Dass mein Anzug herunterzulaufen scheint... Ich bin etwas zu klein für ihn, aber es gibt keinen Grund für mehr Sorgfalt, nehme ich an... Ich bin froh, wo ich mich halten kann und weiß, ich gehöre nicht zu denen, die ihre Position, welche sie auch sein mag, mit straffem Stolz voll ausfüllen werden...

 

Der Arm ist etwas tot geparkt, ich weiß. Die Hand strebt nach nichts; was gibt es auch schon energisch zu ergreifen?

 

Die Kerze halte ich - wie alles - einigermaßen im Gleichgewicht. Ein Licht ist unnötig. Ich könnte sie vielleicht noch gerader halten, aber was soll die Anmaßung von vertikaler Energie...?

 

Es gibt hier niemanden, der das sanfte Elend auffangen würde.

 

Käme jemand und wollte aus mir ein Zeichen, ein Exempel für irgendetwas machen - was könnte das sein? Was sollte die Mühe?

 

Vielleicht könnte ich ihm ein Gefühl der Zeichenlosigkeit geben. Eines Wartens, das nicht viel von sich weiß.
Der Ton des geschlossenen, geschlossenen Hintergrunds (ja: zu!) ist auf meine roten Ohren abgestimmt, und strahlt noch in mein Gesicht ab, meine Hand...

 

Sucht also hier nichts, was abhebt. Was sich abhebt.

Ich bin kein Bild. Ich bin kein Haken, an den man sich hängen kann, um vielleicht hinausgeführt zu werden.

Ich bin die Trostlosigkeit des Nur-Hier.

Ich bin nass gewordenes Dynamit, ohne Ummantelung, mit abgezogener und weggeworfener Zündschnur.

 

So, und nur so, bin ich euch möglicherweise ein Spiegel.

 

 

"Jessica"

 

 

I.

 

Jessica ist nicht bewußt, dass sie im Innersten entschlossen ist, SEINE Epiphanie hier und jetzt, „hier unten“ zu erzwingen.

 

In ihr bereitet sich alles darauf vor, eine Märtyrerin ungeheuerlichster Feierlichkeiten zu werden, in denen Gott herabgezwungen werden wird.

 

Sie führt mit Hilfe von ahnungslosen Statisten ein Schauspiel vor Gott auf, das im Kern ein Dialog mit ihm ist.

 

Kein anderes übertrifft Jessicas Herz an Reinheit. (So rein und unschuldig ist es, dass es schon außerhalb von ihr, dass es schon außerhalb von ihr schlagen und schweben und leuchten muß).

 

Und sie ist ohne jede Anmaßung. Deshalb mag man sie zunächst übersehen.

Aber ihr Name wird leuchten, wenn die anderen schon in den Kreislauf des Vergehens eingegangen sind.

 

Schauspiel der Wollust als Schutzschild, unter dem sie selbst unberührt bleibt - und worin Gott nicht anders kann, als in sie zu fliehen.
Er flieht vor dem Schauspiel, dem grauenvollen, deren Mittelpunkt sie ist, in sie selbst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Aneinandergereiht meine Füße; selbst das Weiß der Schuhe scheint desinteressiert aufzuliegen.

Mein linker Arm hängt schlaff herunter. ich zeige euch mit Müh und Not die mickrige Kerze, sie in halber halber Höhe haltend.

Ich hab ja schon ein kleines silbernes Kreuz um den Hals; das etwas schwerere macht auch nicht viel Aufhebens, versinkt fast, als würde es stundenweise und schlecht bezahlt.

 

Was wollt ihr?

 

Es nützt euch auch nichts, dass ihr mich von der Gruppe isoliert habt. Eure Anstrengung (und meine) ist allzu offensichtlich.

Neben mir stehen angeschnittene Kleiderpuppen.

Die Kerzen in den Händen hinter mir scheinen ebenso von einer unerklärlich starken Gravitation hinabgezogen....(vielleicht erheben sie sich aber plötzlich und schlagen auf mich ein...)

 

Was wollt ihr?

 

Ich sehe in euren Gesichtern, dass ihr mir den Überdruß, der mich fast zerlaufen läßt, im Gesicht anseht. Ich ekle mich vor diesem Theater... noch einen Moment länger, dann heule ich los, beiße in die Kerze und spucke euch die Spitze ins Gesicht.

Das Goldkind, das ihr sehen wollt, entzieht sich euch, es zerfällt vor euren entnervt fordernden Augen.

 

Wo wir schon dabei sind - wenn ihr nicht hinseht, wälze ich mich vor dieser ganzen Bande ; laut schreiend; in Bejahungen hinein, von denen ihr euch in euren Träumen keine Vorstellung machen könnt.

 

Seht ihr mich jetzt?

 

 

 

 

 

"Udo"

 

 

I.

 

Udo hat einen Krönungsmantel, innen purpurrot, mit Zahnstochern gespickt. Ein stilisierter Märtyrer-Umhang.

Udo braucht kein Verhältnis zu Gottes jenseitigen Höhen. Er ist Muttis Freude in dunkler Zeit.

 

Der Rock der Kerze ist Muttis Rock, ein Monument ihres Schoßes, aus dem er kam. Sein Gesicht ein nachgebildetes Bild von Muttis Gesicht.

 

Er kann sein Gesicht vervielfältigen, metamorphotisch, anamorphotisch, im Raum schwebend, ein selbstreproduktiver Engel, umgeben von floralen Glorien. (Selbst für Mutti ist Udos geballter Glanz manchmal schwer zu ertragen!)

 

Gott läßt sich nur scheinbar straflos zurückdrängen gegenüber Udos barockem Vergötzungsprogramm. Gott bildet schwarze Löcher aus, deren verschlingende Kraft zu ahnen ist.

 

Udos Lächeln spricht von der Angst, verschlungen zu werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Mutti, ich hab dich lieb!

Mutti, wir haben uns lieb!

Ich liebe es, dich liebzuhaben, Mutti.

Ich bin du, Mutti!

Ich bin du für dich, Mutti!

Finger, Pipimann, Bluuuumen....

Dein Großer!

Und ich halte groooß in der Hand. Groß, mit brennender Spitze. Und groß in deinem Kleid.

Ich hab dein Gesicht, Mutti! Ich BIN dein Gesicht, Mutti! Nur durch dich, Mutti!

Mutti!

 

Mutti!

Ich bin deine Rakete!

Ich bin auch dein Stuhl.

 

Mutti, in dem Stuhl ist eine teuflische Fratze.

Die sitzt auf einem Kleid und steckt in einem Rahmen.

Die Kerze schwebt von selbst. Ohne Hände aufgerichtet, Mutti.

 

Beiß!

Faß!

Faß mich, du Hexe!

Beiß, reiß deinen Kopf ab und steck ihn auf die Kerze!

Meine Hülle sackt.

Die Kerze im Kleidchen mit unserem Kopf - sie schwebt alleine, die Hexe! Mutti, du Hexe!

 

Nur noch wir.

 

Über dem versackten Häufchen.

 

 

"Theresa"

 

 

I.

 

Für Theresa ist der Garten der Paradiesgarten.

 

Alle lieben Theresa sehr - wie könnten sie anders!
Deshalb - sie weiß das - nimmt sie sich heraus, fast unverhüllt klarzustellen, dass sie der wahre Wächterengel mit dem Schwert ist.

 

Mit der Liebe, die ihr entgegengebracht wird, zugleich belastet und gekräftigt, ist sie sich der großen Aufgaben, die ihr bereitstehen, bewußt.

 

Wer durch die liebliche Hülle schaut, sieht ihre Entschlossenheit, dem Paradies sein unermeßliches Strahlen zu erhalten/ wieder zu geben, indem sie die Scheidung markiert.

 

Sie ist unser aller Verkündigung, dass wir zwar getrennt vom Paradies sind, aber dass es da ist.

 

Gottes Strahl trifft uns von hinter ihr/ über ihr kommend, dicht im Auge. Dadurch sehen wir Theresa in militärischer Glorie leuchten - und lieben sie noch mehr.

 

 

Die Reste ihrer profanen Herkunft trägt sie mit lässiger Großmut, läßt sie bestehen, am Rand... (das Haus...)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Seid nur ruhig.

 

Ich bin die Ruhe und gebe sie.

Ich ahne es ja, ich bin gefaßter, ja geradezu klüger als ihr.

 

Seht doch nur, alles gruppiert sich harmonisch um mich. Ihr braucht nichts zu fürchten. Ich führe euch nicht eure (oder meine) Leere, oder meine unruhige Überfülle vor.

 

Ich halte nicht die Kerze, ich halte mich nicht an ihr fest oder aufrecht. Ich schwinge sie leicht und doch stabil. Diese Aufforderung kann mich und soll euch nicht ängstigen. Aus dem Garten mache ich euch selbstverständlich eine Natur, die sich mir gelassen anschmiegt. Die Blumen an meinem Kopf.... selbst die Blumen, die die Kerze ausbalancieren, harmonisiere ich mit dem Sonnenschirm, und auch die Dachspitze bedroht mich nicht...

 

Ich werde sagen können, dass euch keine Schuld trifft. Sollte Schuld vorhanden sein, wird sie in meinem ruhigen Feuer, das darüber hinausreicht, gelassen aufgezehrt werden.

Seid also ruhig.

 

Mein Weg ist festgelegt, seit jeher. Vor euch, vor aller Zeit. Auch ihr habt einen Platz in diesem Bild. So wie die Dunkelheiten, die sich schon andeuten, auch schon ein Teil von allem sind.

 

Meine Richter werden mich stockend verurteilen, um Fassung ringend. Weil auch sie die Ruhe fühlen, die die Welt ihrer Urteilssprüche gelassen übersteigt. Sie werden diese Liebe in all ihrer Fremdheit spüren und als sanften, aber unnachgiebigen Stachel in sich bewahren.

 

Klammert euch noch ein wenig an meine verschmutzte Hülle, wenn sie euch beruhigt. Mit dieser Hülle hätte ich vielleicht ein eigenes ganzes Leben aufführen, ja scheinbar ausfüllen können. Jeder hätte es geglaubt. Aber auch mein Schalk, den ihr so gern habt, wird aufgezehrt werden in anderem.

 

Glaubt nicht, dass ich keine Angst habe. Auch ich bin schwach. Auch ich haue, schreie, tobe, weine und fluche.

Ohne all das gibt es kein Bild. Und ich werde ein Bild sein.

 

Ja, ich halte die Kerze als Theater...es muß nun mal sein. Und die Natur...ihr wißt, es ist Theater. - Nun ja, ich gebe euch den Aaron, damit ihr nicht vor Moses erschreckt, meine Kinder! Meine Eltern, meine Kinder. Habt keine Angst. Vor dem, was kommt.

 

 

Es kommt.

Hermann und Ansgar


"Hermann und Ansgar"

 

 

I.

 

Herrmann ist Ansgars Gespenst.

 

Nicht die Augen, sondern die Zeigefinger Ansgars, die nach unten zeigen, verweisen darauf.

Er verweist auf die Hölle und tritt mephistophelisch mit Nebel und Dunst an. (Herrmann spiegelt sich nicht im Glas hinter ihm!)

 

Herrmann ist ein Vorführ-Dummy für die verzweifelte Tragik Ansgars, der sich von Gott unendlich ferner weiß und doch an ihn gekettet, bar jeder Vermittlung.

 

Romanische Muster und bunte Glasfensterschatten... Vernetzte Knoten. Versperrt uns.

 

 

Herrmann ist Ansgars Spiegelfreund. Ein Hohn auf „Wo zwei in meinem Namen versammelt sind...“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Wie stramm Herrmann dasteht.

Die Kerze hält er vorbildlich, wie salutierend, in tadelloser Höhe. Akkurat zu den Linien, die ihn von hinten, von außen umgrenzen, umrahmen (und die mich von ihm, scheinbar, trennen). Sein Taschentuch zeigt auf diese Linien; sein Kragendreieck sauber nach unten, wo seine Jacke unter seinem Bauch sich euch entgegenwölbt. 

 

Hacken zusammen. Die geballte Faust ist nicht mal mehr gegen euch gerichtet. Er ballt sie mit Stolz. Mit dem, was man „perfekte Fassung“ nennen könnte. Seine Augen sehen euch aus seinem gesenkten Kopf (als hätte er einen hohen Vorgesetzten vor sich) nicht mehr eigentlich an. Sie sind wie leere Schlitze, die nichts mehr spiegeln. An denen der Blick vielmehr sanft abprallen soll, um die Tadellosigkeit der Gesamtgestalt in sich aufnehmen zu können.

 

Ein wenig fühle ich mich wie sein Wächter, nein, eher noch sein Pfleger. Die schlaff aufgestellte Leere meiner Haltung ist wie gemacht, um mich fast vergessen zu machen. Das Mauerwerk neben mir als der Rand der Anstalt. Er vor dem Fenster seines Zimmers.

Ich spiele das Spiel mit, wenn auch ohne großes Interesse. Meinen wie feindlichen Augen und dem leicht zusammengepreßten Mund müßt ihr nicht allzuviel entnehmen, wenn ihr nicht wollt.

 

Auch stelle ich euch frei (wie könnte ich anders?) meine beiden Zeigefinger zu übersehen, die auf etwas anderes verweisen (die das gewünschte Bild aber vielleicht nur vervollständigen...?).

 

Worauf verweisen? Auf die Erde, auf und in die alles sackt? 

 

Ziehe ich mit ihnen an Fäden, um euch ein direktes Zeichen für die Marionettenhaftigkeit des Ganzen zu geben (zu dem auch ihr gehört)?

 

Sind sie das, was von einem Schrei übriggeblieben ist? - Doch eher von einem Rauschen...

 

Ihr wollt Herrmann genießen, aber ihr müßt doch zu mir sehen, der ich diesen Genuß störe.

 

Beide stehen wir da, wie eine ausgeglichene Doppelung, die eure Fragen wie eure Antworten gleichermaßen herausfordert wie abweist.

 

Ich drücke mich ein wenig an Herrmann. Um ihn zu halten. Denn wenn ich mich gleich umwende und gehe, um nie wieder zurückzukommen, wird er beim kleinsten Lufthauch (eures Atems z.B.) steif wie ein Brett umfallen.

 

Dann gehe ich in mein Zimmer, die Tür wird hinter mir abgeschlossen, während ihr ratlos und verlegen, in der Furcht, euch könnte jemand sehen, linkisch lächelnd, ihn mit dem Fuß anstoßend, dann mit dem Finger, versuchen werdet, ein Stück Holz wiederzubeleben.

 

 

Ludwig


"Ludwig"

 

 

I.

 

Ludwigs Lächeln überspielt seinen tiefen Trotz an der Schwelle.


Er hält den Turm zu Babel, der sich zugleich trotzig als Blitzableiter anbietet.

 

Lichtstrahlen wie schiefgebaute Stühle treffen ihn, prallen an ihm in neidischen Farben ab.

 

Ein pseudokeltisches, mehrköpfiges Wurmgewusel zu seinen Füßen , er z.T. darin eingebaut.

 

 

Gott beginnt, ihn auseinanderzunehmen.


Er aber hält das hoch aufgerichtete Fanal - und stößt sich nicht daran.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Wie ein Schwert, nicht?

 

Aber auch wie ein fröhlich gestemmter Bierkrug.

 

Diese Höhe macht mir fast ein komisches Vergnügen.

 

Ihr seht euch selbst, ohne danach zu fragen... Der Mund von der Mutter...die Augen vom Vater.

 

Die Höhe dieser Kerze soll vielleicht (oder warum habt ihr sie ausgesucht?) meine eigentlich schwache Gestalt ein wenig hochziehen und aufrichten.

 

Sie ist ein wenig schwach...die Füße leicht einwärts gedreht, ja..., aber ihr seht doch in meinem Gesicht...

 

Es ist ein Gesicht, in dem das Alter schon vorgebildet ist. Der Weg dorthin stellt sich wie eine glatte unbehinderte Straße dar, auf der keinerlei Störung zu erwarten ist. Die etwas schräg stehenden Augen werden mich für Möglichkeiten prädestinieren... jemand zu sein, dem man nicht böse sein kann, wenn er bewußtlos seine Pflicht tut. (Auch hin und wieder seine böse Pflicht, wenn es eben sein muß).

 

Es muß schon dicke kommen -...ja, ich werde auch dicker werden, immer etwas dicker... - wenn mir mit diesem Kindergesicht jemand böse sein wird. Man vermutet dahinter nichts Böses. Nein. Kein bohrender oder starrer Blick geht von mir aus. Trifft mich ein solcher, wird er sofort wie von weichen Pfirsichen ins Gras abgelenkt.

 

Aber das will euch ablenken.

 

Vor die Tür, vor die Stufen hinausgezerrt, hingestellt zittere ich, klammere mich ans Gesetzesbuch, als käme mir von daher Halt (und nicht Elend), und lächle gezwungen, damit mein Spuk, damit ich bald vorüber bin. Haut, Knochen, Fleisch und Augen halten kaum zusammen.

 

 

Lisa


"Lisa"

 

 

I.

 

Lisa trifft Gottes Glanz von der Seite.
In himmlischem Blau. Das in sie wandert.

 

Sie ist wahnsinnig. Entrückt.

 

Die Kräfte werden abgeleitet in die Blumen, die sie mit der linken Hand nach hinten hält. Die Kerze schmilzt an, von der Seite.

 

Lisa zerfließt im Wahn - aber darin kommt ihr neugeborener stabiler Kern, ihr glorioser zum Vorschein.

 

Antonitische Monster liegen um sie am Boden in den letzten Zügen, die penetrierende Kommunion mit ihr verpaßt habend...

Bald wird sie ein ekstatisch-abstraktes Energiefeld sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Kennt ihr das?

Eigentlich ist man gedämpft, begradigt, fast festgezurrt. Alles hat seine Ordnung, der man sich aus Gewohnheit und Erwartung ergibt.

Die Uniform, die Zeichen, die Attribute, darin meine Hülle, und irgendwo auch ich. Ich bin bereit, wie schon tausend mal vorher, registriert zu werden.

 

Und dann trifft mich etwas scheinbar Beiläufiges...gut, es ist ein schöner Tag und alles..., aber kurz trifft die unbeschirmte Sonne mein Gesichtsfeld, und, als wäre sie durch mein Auge in ein leicht epileptisches Arel gefallen, wird mein braver Körper von Lockerungen durchgeschüttelt, dass alles auseinanderzufallen scheint. Zuckungen gehen von meinem Bauch aus und werfen alle Glieder in die Möglichkeit einer noch nie verkündeten Neuordnung.

 

Ein unkontrollierbares Lachen gesteht dieses bedrohlich ekstatische Durcheinander zu und versucht es zugleich durch dieses Zugeständnis wieder zu beherrschen...

 

Ihr wartet mit dem Auslösen, damit es sich beruhigen kann.

 

Ich habe Angst und will diesen Kitzel zugleich festhalten...

 

Sekunden vergehen und ihr wartet, bis mein Gesicht nur noch eine festgehaltene Grimasse ist, in der sich Peinlichkeit, Abscheu, Kitzel und Freude festgefroren mischen. Dann, dann sperrt ihr mich auf ewig darin ein. Der Film, der vor euch abgelaufen ist, erregt euch und macht euch Angst.

 

 

Auf dem Rückweg bin ich brav und betont ernst. Ganz ernst. Unauffällig. Nur ein-, zweimal mache ich kurze Sprünge, wie Kinder, die Reiter spielen. Um mich zu vergewissern, dass ich ein Kind bin.

 

 

"Manfred"

 

 

I.

 

Manfred packt zu.


Sein Finger weist nach unten.

 

Er weiß, dass hinter ihm, im Hag, ein Streifen, ein bezahnter, des Höllenrachens aufgeht, der ihn nicht schrecken kann.

Denn Manfred wird von Zahlen beschützt. Die 1 der Schleife ist sein Signal an uns.

 

Auch seine Levitation, sein leichtes Schweben über dem Boden, kann ihn nicht schrecken.

 

Manfred ist von verschiebbarer Festigkeit. Egal welches Leben um ihn explodiert, weil es ihn nicht anrühren kann. Altdorfer-Bäume, aus dem Rachen kommend, greifen vergeblich nach ihm.

 

 

Das einzige Zeichen der Kräfte, die ihn umgeben, könnten leichte Verschiebungen seiner Gliedmaßen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Hm.

Muß ich wirklich erwachsener als ihr sein?

 

Ihr könnt euch nicht entscheiden, wo ich stehen soll, wie, in welcher Haltung. Ihr könnt mir gar nichts, gar nichts anbieten oder abnehmen.

Über diese zu lange Hose, diesen schlackernden Anzug, diese Krawatte, diese ganze Ansammlung von Zeichen eurer Unentschiedenheit muß ich hinwegsehen...

Wo ich euch hingestellt habe, das ist ein Kompromiß zwischen einer haltgebenden Mauer und einem Abgrund, in den ich mich - nein, in den IHR EUCH stürzen könnt, von mir aus. Seht ihr nicht meinen wackligen Stand? Nein? Aber ich sehe euren!

 

Ich habe es satt, meine Überlegenheit zu fühlen, die keinen anderen Grund als eure Unzulänglichkeit hat, keinen anderen (seht ihr meinen Zeigefinger?!)

 

Im Aufsichtsrat, in dem ich einst sitzen werde, werde ich mit unbeherrschter Ungeduld gegen Kriecher vorgehen.

 

Diese Kerze ist so lächerlich. Wenn ich jetzt ein Kriechtier sähe, würde ich es zertreten. Am liebsten würde ich den Kopf in die Erde stecken und ihr zuschreien, sich aufzutun und euch zu verschlingen, ihr Ungenießbaren!

Dann aber sag ich mir: laß gut sein.

 

Gib dein Bild ab und laß gut sein. Wen interessiert ein Bild?

 

 

"Agnes"

 

 

I.

 

Agnes ist aus einer anderen Welt.
Um ihre Erscheinung leuchtet tief die dunkle Pracht der Erde.

 

Ist auch sie vor langer Zeit verschwunden?
Und hat sich in ein Bild eingebrannt, das intensiver wird, je mehr es verschwindet?

 

Agnes hat sehr gelitten. Deshalb kann sie jetzt so lachen, wie nur sie es kann. Ein Lachen, mit dem wir mitgehen und das uns zugleich nicht verstörender treffen könnte. Denn wir sehen darin unsere eigene Geisterhaftigkeit.

 

Die Vögel singen stumm um sie und geräuschlos rauscht die Tanne.
Pilze haben angefangen, sich ihres Bildes schon fortgeschritten zu bemächtigen.

 

 

Wir lieben Agnes, die uns aus einem Reich anzulächeln scheint, in dem sich Wahnsinn, Frieden und ewige Harmonie verbrüdert zu haben scheinen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Ja.

Du weißt, womit und wie du mich kitzeln kannst.

Mit der Prinzessin im Hochzeitskleid.

 

Auf die Märchenwiese, im Märchenpark, an den Rand des Märchenwalds gestellt. Bezaubert, halb gebannt von dieser Vorstellung, die ich kaum abwehren kann (du weißt das!) drehe ich mich dir glänzend und hilfesuchend zu. Fast ist mir, als könnte ich Pirouetten drehen, aber es reicht nur zu einem unsicheren Blick über die Schutzmauer meiner Schulter.

 

Erlöse mich. Hol mich hier raus, meine Versucherin, meine Wärterin.

 

Siehst du den Hilferuf in meinem Gesicht? Den Arm, der sich schön ins Gesamtbild fügen will, aber in Wirklichkeit ein Holzbrett ist? Die grüne und dunkle Pracht, die mich umgibt, gibt meiner Gespensterexistenz Raum.

Das weiße Kleid führt mich in deine Regionen des Todes, die sich auf mir abbilden.

 

Du willst mich verherrlichen, aber du erschaffst das letzte Bild von mir, das eingefangen werden kann. In ihm dauere ich von jetzt an ohne Aussicht auf Erlösung.

Nur mein Lächeln wird sich noch an dir festklammern. Und das Weiß. Und das Grün vielleicht; wenn ich in das Vergessen eingegangen sein werde, das jetzt und hier beginnt und von dem du dich in alle Ewigkeit hinein nähren wirst.

 

 

 

 

"Elmar"

 

 

I.

 

Elmar ist von außen ein völliger Idiot. Das scheint nur so.

 

In Byzanz war er vor dem Schisma sogar 3 Jahre Kaiserin.
Still, aber unnachgiebig verfocht er den Ikonoklasmus.

 

Nur und einzig die fünfstöckige Kommode ließ er als Bild der Anagogie gewähren und verherrlichen.

Er ließ sich jeden Tag von Kamillen bestrahlen. Dies gab ihm sein inneres Licht.

 

In der Schrift kannte er sich aus wie keine zweite. Auf ihn geht die zeitweilige Anerkennung der Blumensteckfibel als apokryphe Schrift zurück.

 

Heute posiert er ungern, aber er weiß: MIT Abbildungen bringt man das Volk am ehesten zur Anerkennung von deren Nutzlosigkeit.

 

Elmar weiß, dass vom Bild nichts zu erwarten ist. So ist er ohne jeden Groll.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II.

 

Ihr solltet mich nicht unterschätzen.

 

Ihr habt nicht umsonst meinem Beinkleid eine andere Farbe gegeben. Blaß, aber die Vertikale um so mehr betonend. Mein Standbein ist fest - und mein rechtes Auge ruht ebenso fest darüber.

 

Ihr braucht nicht glauben, dass ihr ihm gewachsen wärt oder es gar auslöschen, blenden könntet.

Mein fester Griff um die gerade Kerze, und deren Flamme, bestätigen es.

 

Das Buch, das ihr mir gegeben hat, mit eurem Gesetz - seht ihr, wie ich es jeden Moment achtlos fallen lassen könnte. Mein Blick würde nicht schwanken.

Auch sich an mein linkes Auge zu halten, ist nicht ohne Gefahr. Das linke ist nur scheinbar konziliant. In Wirklichkeit liegt darin, wenn es noch dessen bedürfte, die ganze Lässigkeit meiner Überlegenheit.

 

Und solltet ihr noch einen Hinweis brauchen: dieses vielgeschossige, dunkle Schränkchen. - Ich bin voller übereinandergetürmter Fächer. Ihr könnt darin vielleicht Dinge finden. Aber ausschöpfen werdet ihr sie nie können.

 

Die Blumen, ja sie, sie suchen meine Nähe.

 

Nehmt es als Devotion.

 

Auch der Fond ordnet sich mir unter. Der Boden nimmt willig die Farben meiner Säulen an.

Meine Welt ist gezähmt. Sie ist verfeinert im ruhigen Bewußtsein meiner Überlegenheit. Vergeßt das nicht.

 

Vergeßt nicht, dass die Welt sich mir ohne Zicken zuordnet. Ja, ohne Welt sogar.

 

 

(Wenn du die Kehrseite sehen willst, mußt du sie malen. Wenn es dir gelingt, siehst du das, was ich dir jetzt nicht erzählt habe. Was ich dir gar nicht erzählen kann. Denn dafür gibt es keine Grammatik, wie diese hier.)

"Carla"

 

 

Carla scheint zu blöd für Gott.


Und sie scheint nur zu posieren. Ganz falsch ist das nicht, und doch....

Spricht nicht aus ihren zurechtgeschlagenen roten Bäckchen eine Demut?

 

Ist sie mit ihren Händen, gefaltet wie die eines Schwimmers, nicht bereit zum Sprung - vielleicht ohne es zu ahnen...

Hält sie nicht beide Wangen hin, um auf nichts mehr hoffen zu müssen? Ist sie nicht bereit, fast als einzige, eine Ikone zu werden?
Ihre Augen sprechen vom Glauben - und sei es an das Nichts.

 

 

Ihr aufgesetztes Lächeln entrichtet sie als Preis an uns, die wir auch plump äußerlich überzeugt werden wollen.